Loslassen von Frustration und Perfektion
Den Versuch, zu surfen, unternehme ich seit ca. 12 Jahren. Jede, die das ebenfalls versucht,
weiß, wie frustrierend manche Momente sein können. Als Landratte, wenn auch an der
Matrosenseite Deutschlands lebend, sind es immer die ersten Tage des Surfurlaubs, die
vernichtend wirken. Und da frau dazu neigt, alles auf sich zu beziehen, vor allem das Elend,
glaubte auch ich, das läge nur an mir. Es konnte ja nur an meinem unmöglichen Körper liegen.
Ich erinnere mich an einen Urlaub in Portugal, an dem die Surfschule einen Ausflug unternahm,
zu einem nahe gelegenen Spot. Es galt, je fünfzig Boards und Personen zu verladen, an den
Strand zu bringen und zu unterrichten. Alles wurde mit Bravour gemeistert. Alle Surfschüler
gingen ins Wasser, auch ich. Und ich hatte von Anfang an das Gefühl, ich sei die absolut
untalentierteste anwesende Person. Die unförmigste ohnehin. Und so brach ich nach einigen
Versuchen ab und saß weinend am Strand.
Im schönsten Sommer und bei bestem Wetter.
Heute kommen mir fast die Tränen, wenn ich an diese Verschwendung denke. Die dortigen
Coaches wussten auch nicht so recht, wie sie mit mir umgehen sollten. An Wellen und etwas
Drama waren sie gewohnt, eine Enddreißigerin mit Weinkrämpfen überstieg ihre Kompetenzen.
Der für mich zuständige Lehrer versuchte halbherzig ein paar Floskeln, die halfen aber nicht.
Dann kam J. Wir kannten uns flüchtig durch Unterhaltungen. Er sagte mir die Sätze, die bis
heute in mein Hirn gemeißelt sind: “ Cryin’ won’t help, Fredrika. This ain’t a f*** church!”
Durch die Tränen hindurch bekam ich einen Lachkrampf. Da stand er vor mir in der Sonne,
hochgewachsen, braungebrannt und durchtrainiert, und erklärte mir die simpelste Weisheit auf
eine Art, die ich in dem Moment gebraucht hatte: das Leben (und zu großen Teilen auch das
Surfen) lässt sich nicht kontrollieren. Darin liegt der Reiz. Es ist Hingabe und Vertrauen – in sich
selbst und die eigenen Fähigkeiten und ein bisschen auch in die Umstände.
Akzeptieren statt Kontrollieren
So eine Welle bewegt sich. Sie hält nicht still. Keine ist wie die andere, auch wenn das für den
Laien so aussehen mag. Jeder Surfer und jede Surferin wissen, dass jede Welle anders ist…
genau wie wir. Es gibt kein Schema F, nach dem man sich richten kann. Man trainiert, man übt,
bis es gelingt, oder halt eben auch nicht. Und es gelingt sehr viel weniger, als dass es
funktioniert.
Surfen und das Meer, beide bringen uns Geduld bei und fordern diese auch ein.
Perfektionismus ist nicht möglich. Wir müssen akzeptieren, dass wir klein und unbedeutend sind
gegenüber den Gezeiten. Dies bietet auch riesige Möglichkeiten, denn wir erkennen unseren
Platz auf dieser Erde. Wir sind winzige, unbedeutende Teile des Systems. Wir können nichts
beeinflussen. Worin liegt unser Sinn? Vielleicht besteht er einfach darin, die Dinge so gut zu
machen, wie wir es in dem Moment eben können, ohne noch mehr zu erwarten, und uns an ihnen (den Dingen) zu erfreuen.
Was können wir aber tun?
Bleibe bei dir. So ein Standardsatz, den man erst versteht, wenn man ihn wirklich durchdringt
und anwendet. Dein Meer, dein Board, deine Welle, dein Körper, dein Moment. Atmen. Du bist
da, das ist das Wichtigste. Niemand anders zählt. Nimm dir von diesem Moment, was auch
immer du brauchst. Dehne ihn, warte auf die nächste Welle. Sitze, gucke, schließe die Augen.
Erhole dich, sei glücklich. das hier ist dein.
Je öfter du das machst, desto vertrauter wird es. Die Momente des Loslassens, des Glücks. Du
wirst das übertragen können auf deinen Alltag. Du kannst loslassen. Das ist der echte Gewinn.
Surfen und das Meer füllen Körper, Seele… und Geist. Du wirst immer besser werden und dein
Leben wird im Ganzen besser werden.
Dann fängt es erst an, Spaß zu machen. Fortschritt passiert immer auf deinem eigenen Level.
Du bist allein und das ist okay. Du kannst mit anderen Spaß haben, und das ist auch okay. Weil
du dich selbst besser kennenlernst, kannst du deine Grenzen stecken und Miteinander
genießen. Du wählst jetzt und existierst nicht nur.
Fazit
Wie immer lehrt uns das Meer Geduld. Es ist an uns, dieses gigantische Geschenk zu ergreifen
und unsere Schlüsse daraus zu ziehen. Lernen müssen wir selbständig, um dann unsere
Erfolge genießen zu können… wie auch immer diese aussehen mögen.
EN:
Letting Go of Frustration and Perfection
I’ve been trying to surf for about 12 years now. Anyone who has attempted it knows how
frustrating certain moments can be. As a landlubber—albeit one living near Germany’s maritime
border—it’s always the first days of a surf vacation that feel utterly defeating. And since women
tend to internalize everything, especially the struggles, I too believed it was all my fault. And
very obviously, it was due to my imperfect body.
I remember a trip to Portugal when the surf school organized an outing to a nearby spot. The
challenge was to transport fifty boards and as many people, get them to the beach, and teach
them there. Everything went off without a hitch. All the students went into the water, including
me. And from the very beginning, I felt like the most untalented person present. The most
awkward-looking, anyway. After a few tries, I gave up and sat crying on the beach—in the height
of summer, on a perfect day.
Now, when I think back to that wasted opportunity, I almost cry again. The coaches at the time
didn’t really know how to handle me. They were used to waves and a bit of drama, but a woman
in her late 30s having a sobbing meltdown was beyond their skillset. The instructor assigned to
me halfheartedly tried a few platitudes, but they didn’t help.
Then J. came over. We only knew each other vaguely through small talk. He said something
that has been etched into my brain ever since:
“Cryin’ won’t help, Fredrika. This ain’t a f***in’ church!”
Through my tears, I burst out laughing. There he stood, tall, sun-kissed, and fit, delivering the
simplest truth in a way I desperately needed to hear at that moment: life (and surfing, to a great
extent) cannot be controlled. That’s the beauty of it.
Acceptance Over Control
A wave moves. It doesn’t stay still. No two are alike, even if they may seem that way to the
untrained eye. Every surfer knows that each wave is different… just like us. There’s no
one-size-fits-all formula to follow. You train, you practice, until it works—or it doesn’t. And more
often than not, it doesn’t work.
Surfing and the sea teach us patience and demand it in return. Perfectionism is not an option.
We have to accept that we are small and insignificant compared to the tides. But within that
insignificance lies great opportunity: we come to understand our place on this earth. We are tiny,
inconsequential parts of the system. We cannot control anything.
So, what’s the point? Perhaps it’s simply to do our best in the moment, without expecting more,
and to take joy in what we do.
What Can We Do?
Stay with yourself. A cliché phrase, but one that only truly makes sense when you grasp it and put it into practice. Your ocean, your board, your wave, your body, your moment. Breathe. You’re
here—that’s what matters most. Nothing else. Take from the moment whatever you need.
Stretch it out, wait for the next wave. Sit, watch, close your eyes. Rest, be happy. This is yours.
The more you do this, the more familiar it becomes: the moments of letting go, of joy. You’ll be
able to carry this into your daily life. You can let go. That’s the real reward. Surfing and the sea
nurture the body, soul, and mind. You’ll keep improving, and your life as a whole will get better.
That’s when the fun begins. Progress always happens at your own level. You are on your own,
and that’s okay. You can also have fun with others, and that’s okay too. By getting to know
yourself better, you can set your boundaries and enjoy connections with others. Now, you
choose—you no longer merely exist.
Conclusion
As always, the sea teaches us patience. It’s up to us to seize this incredible gift and draw our
own conclusions. Learning must be done independently so we can savor our
successes—whatever they may look like.