
Als Jungfraugeborene hatte ich schon immer das Bild der Meerjungfrau vor Augen, wenn ich an mein Sternzeichen dachte. Ich wollte ins Wasser und begann früh mit dem Schwimmtraining. Mittlerweile gibt es extra Schwimmschulen für kleine Meermädchen und -jungen, es gibt Flossen auf Amazon und Meerjungfrauserien mit hohen Einschaltquoten. Ein ziemlicher Hype.
Historisch betrachtet gibt es aber tatsächlich Darstellungen der Sternbilder, in denen die Jungfrau nicht mit der üblichen Ähre, sondern mit einem Fischschwanz dargestellt wird. Weiblichkeit und Meer hängen offenbar zusammen, diverse Göttinnen früher Hochkulturen belegen das.
Worin besteht die magisch-faszinierende Verbindung zwischen Meer und Weiblichkeit?
Meiner Meinung nach sind Meerjungfrauen so faszinierend, weil sie so viele verschiedene Aspekte verkörpern: neben immer wieder betonter Schönheit gibt es Charaktertiefe, Gemeinschaft mit den Wellenschwestern und Unergründlichkeit, die Tiefe des Meeres. Sie dürfen am Meeresgrund mit bunten Fischen und Muscheln spielen und müssen keinen Haushalt führen (darum beneiden wir sie glühend 😁). Außerdem sind Meerjungfrauen und ihre Pendants in den alten Mythen oft unberechenbar, sie führen Schiffe und Männer in die Irre. Das Meer kann auch tief und grausam sein.
Viele dieser Aspekte wünschen sich auch Frauen in ihrem Leben: immerwährende Attraktivität, enge Freundschaften, Rückzugsmöglichkeiten… und Verführungskünste, eine dunkle Seite, die den meisten Männern Angst macht. Nicht umsonst sind viele hochattraktive Frauen, die ihren Weg durch die Welt erfolgreich meistern, alleinstehend. Ich sekbst kenne jedenfalls eine ganze Reihe solcher Frauen.
Wie entstand das Bild der Meerjungfrau?
Menschen vieler Kulturen konnten sich in den vergangenen Jahrhunderten die Naturereignisse nicht erklären. So wurden häufig ganze Götterfamilien erschaffen, die für die Umstände verantwortlich sein sollten. Am bekanntesten ist wohl die griechische Götterfamilie, hier heißt der Meeresgott Poseidon. Er hatte aber auch eine Frau, Amphitrite. Schon sie war eine Nymphe, eine Nereide, eine Okeanidin, die immer wieder auch mit einem Fischschwanz dargestellt wurde und wird. Sie schützte das Meer wie ihr Gatte und war für ihre Schönheit bekannt.
Die afrikanische Yoruba Religion verehrt Yemanja (auch Lemanja) als Göttin des Meeres und der Reinheit. Ihre Farben sind blau und weiß, sie steht für Frische und Klarheit und sie schützt besonders die Frauen, wie es für Muttergottheiten üblich ist. Wasser ist die Quelle des Lebens. Durch Migrationsbewegungen verbreitete sich der Glaube an Yemanja auch nach Südamerika und in andere Teile der Welt.
Interessanterweise wird Yemanja auch besonders bei Unterstützung in emotionalen Belangen angerufen, da sie neben der Weisheit und Klarheit auch Tiefe und Unberechenbarkeit verkörpert. Wie das Meer.
Hin zum Fischwesen: der Wandel von der Göttin zur Nixe
Durch die Abwendung von der Vielgötterei hin zu monotheistischen Religionen verloren die alten Wassergöttinnen ihren Einfluss und ihre Glaubhaftigkeit. Ihnen wurden nun dämonische Attribute nachgesagt. Ihre Heiligkeit galt nicht länger, vielmehr wurden sie auf das Dasein der Meerjungfrau, Nixe, Schaumgeborenen reduziert.
Meerjungfrauen sind hybride Wesen. Durch die Teilung des Körpers verbinden sie Wasser und Land. Als Grenzwesen verbinden sie aber auch Leben, Wasser und Schönheit mit Bedrohlichem und Tod. Bis heute wird diese Ambivalenz mit Weiblichkeit gleichgesetzt. Nahezu alle abend- und morgenländischen Kulturen beinhalten einen entsprechenden Mythos. Eine solche Ähnlichkeit in den Darstellungen kann kein Zufall sein, oder?
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Mermaids and surfing women
As a Virgo by birth, I have always envisioned a mermaid when thinking about my zodiac sign. I wanted to be in the water and started swim training at an early age. Nowadays, there are specialized swimming schools for little mermaids and mermen, mermaid tails can be found on Amazon, and mermaid TV series attract high ratings. It’s quite a hype.
Historically, however, there are depictions of constellations in which Virgo is not shown with the usual sheaf of wheat but with a fish tail. Femininity and the sea are evidently connected, as various goddesses from early high cultures attest to.
What is the magical, fascinating connection between the sea and femininity?
In my opinion, mermaids are so fascinating because they embody many different aspects: besides their often-emphasized beauty, they possess depth of character, a sisterhood with the waves, and the enigmatic vastness of the ocean. They get to play at the bottom of the sea with colorful fish and shells and don’t have to run a household (which makes us envy them deeply 😁). Moreover, mermaids and their counterparts in ancient myths are often unpredictable, leading ships and men astray. The sea can also be deep and cruel.
Many women long for aspects like these in their own lives: eternal attractiveness, deep friendships, places of retreat… and seductive powers—a dark side that frightens most men. It’s no coincidence that many highly attractive women who successfully navigate the world are single. I personally know quite a few of them.
How did the image of the mermaid come into being?
For centuries, people in many cultures were unable to explain natural phenomena. As a result, entire pantheons of gods were created to account for these circumstances. The most well-known is probably the Greek pantheon, where the god of the sea is Poseidon. However, he also had a wife, Amphitrite. She was a nymph, a Nereid, an Oceanid, who has repeatedly been depicted with a fish tail. Like her husband, she was a protector of the sea and was famous for her beauty.
The African Yoruba religion venerates Yemanja (also Lemanja) as the goddess of the sea and purity. Her colors are blue and white, representing freshness and clarity, and she is known for protecting women, as is common for mother goddesses. Water is the source of life. Through migration, the belief in Yemanja spread to South America and other parts of the world.
Interestingly, Yemanja is often invoked for emotional support, as she embodies not only wisdom and clarity but also depth and unpredictability—just like the sea.
Toward the fish-being: The transformation from goddess to mermaid
With the shift from polytheism to monotheistic religions, the old water goddesses lost their influence and credibility. They were now attributed with demonic qualities. Their sacred status was no longer recognized; instead, they were reduced to mere mermaids, water nymphs, and foam-born beings.
Mermaids are hybrid creatures. Their split bodies connect water and land. As liminal beings, they also unite life, water, and beauty with danger and death. To this day, this ambivalence is equated with femininity. Nearly all Eastern and Western cultures contain a corresponding myth. Such striking similarities in their representations can hardly be a coincidence, can they?