Wieviel Freiheit verträgt ein Frauenleben?

Über das Frausein, Männer, das Meer – und die Frage, wie viel Raum wir uns nehmen dürfen bzw. für uns vorgesehen ist

„True love is the practice of freedom.“
– bell hooks (All about love, 2000)

Ich bin 45. Keine Kinder, kein Partner, kein Haus. Dafür ein Van, ein Surfbrett, ein Hund. Vielleicht bald noch ein bisschen was mehr, aber davon erzähle ich, wenn es so weit ist.
Früher hätte ich das nicht als Erfolg gezählt. Heute sehe ich es anders.

Viele Frauen meiner Generation leben anders als unsere Mütter. Wir sollen unabhängiger, beweglicher, freier sein – stimmt das?. Es bleibt die Frage: Wie viel Freiheit darf eine Frau sich nehmen, ohne auf Ablehnung zu stoßen?

Wenn „frei“ nicht wirklich frei heißt

Ich habe in meinem Leben einige Männer kennengelernt, die sich selbst als frei und unangepasst beschrieben haben und z.T. auch heute noch beschreiben würden. In Wirklichkeit bedeutet das eigentlich nur, dass sie viel erwarten, im Gegenzug aber keine Verantwortung übernehmen wollen.
Aufmerksamkeit, Fürsorge, Bewunderung ist erwünscht. Am liebsten eine Frau, die beruflich auf eigenen Beinen steht, selbständig ist, toll aussieht und nicht zu viel emotionale Bindung braucht… und gleichzeitig toll kochen kann und das Frühstück macht.

Ich habe lange versucht, entsprechenden Vorstellungen zu genügen. Ich war verständnisvoll und habe meine eigenen Interessen mehr als einmal hinten angestellt. Ich habe vieles getragen, was nicht meins war – emotional, mental, sogar finanziell.
Rückblickend frage ich mich, wie es dazu kommen konnte. Die Antwort ist unschön und einfach: ich wollte gefallen. Ich wollte lieb gehabt werden.

Und gleichzeitig wollte ich dem Druck und den gesellschaftlichen Ansprüchen genügen. Denn das ist es doch, was eine Frau tun soll: ihren durchoptimierten Körper mit dem durchoptimierten Mindset bestmöglich unter die Haube bringen. Oder sind die aufgespritzten Lippen und die angeklebten Vorhangwimpern tatsächlich immer die eigene Wahl?

Und dann: das Meer

Reisen und Surfen kamen später.
Das Meer hat mir etwas beigebracht, das ich vorher nicht wusste: Gelassenheit beim Scheitern. Etwas nicht perfekt können und lernen ist normal, man muss sich nicht ständig dafür verurteilen. Es gibt keinen Lebensplan, bei dem alles abgehakt werden müsste. So läuft es nicht.

Beziehungen funktionieren ähnlich.
Man kann sich anstrengen, alles richtig machen – und es reicht trotzdem nicht. Nicht der richtige Ort, nicht die richtige Zeit, nicht der richtige Mensch.
Es geht um die gemeinsam verbrachte Zeit, um den Lern- und Entwicklungsprozess. Den Männern, von denen ich tatsächlich etwas lernen durfte, bin ich bis heute dankbar. Sie werden immer in meinem Herzen wohnen.

Wofür stehe ich also?

In meinem Beruf als Lehrerin merke ich oft, wie genau Jugendliche mich beobachten.
Was ich sage, wie ich auftrete, wie ich mein Leben gestalte. Besonders Mädchen schauen genau hin. Manche sind irritiert, wenn ich erzähle, dass ich allein lebe – und trotzdem “überlebe” 😆. “Waaas, Frau E., du bist doch hübsch? Warum hast du keinen Mann?!”

Dann versuche ich, zu erklären, dass es verschiedene Lebensentwürfe gibt, dass eine Frau selbständig sein kann und nicht von einem Mann abhängig sein sollte.
Dass man sich nicht entscheiden muss zwischen Freiheit und Familie, sondern herausfinden darf, was wirklich zu einem passt. Dass sich nicht alle Frauen auf die verheißungsvollsten Kandidaten schmeißen müssen, weil man auch alleine schon vollständig genug ist. Ich lebe in solchen Momenten wohl meine feministische Seite aus 😉

Und manchmal spüre ich auch die Blicke von Kolleginnen. Manchmal Mitleid, manchmal Bewunderung, manchmal Neid. Ich glaube, viele Frauen spüren, dass mehr möglich wäre und dass sie eigentlich auch mehr wollen.

Der Wunsch nach Nähe bleibt

Trotz allem brauche ich Nähe wie andere auch. Ich genieße es, allein zu sein – aber das bedeutet nicht, dass ich mich nie einsam fühle oder etwa keine Verbindung will. Nur ist mein Bild davon klarer geworden.

Ich wünsche mir keinen Mann, der sich ständig beweisen muss, um sich selbst zu spüren. Keine Beziehung, in der ich wieder die tragende Rolle übernehme, während der andere sich zurücklehnt.
Was ich mir wünsche, ist Wärme. Jemand, der bei sich angekommen ist.

Wieviel Freiheit verträgt nun ein Frauenleben?

So viel, wie es (er)tragen kann.

Nicht jede Frau will alleine leben oder reisen. Aber jede sollte es dürfen, ohne sich erklären zu müssen.
Es gibt nicht das richtige Leben. Es gibt nur das eigene mit Chancen und Freude und Lebendigkeit und Glück und Unglück und Leid. Bis frau bei sich ankommt.

Und genau das versuche ich jeden Tag ein Stück mehr.

EN:

How Much Freedom Can a Woman’s Life Bear?
On being a woman, men, the sea – and the question of how much space we are allowed to take up

“True love is the practice of freedom.”
– bell hooks, All About Love (2000)

I’m 45. No children, no partner, no house.
But I have a van, a surfboard, and a dog.
Maybe soon a little more – but I’ll tell you about that when the time comes.

I wouldn’t have called that a success in the past.
Today, I see it differently.

Many women of my generation live differently than our mothers did.
We’re supposed to be more independent, more flexible, freer – but is that really true?
The question remains: How much freedom can a woman take without being met with resistance?

When “free” doesn’t really mean free

Over the years, I’ve met several men who described themselves as free spirits and nonconformists – and probably still would.
But in reality, it mostly meant they expected a lot without taking on much responsibility.

They wanted attention, care, admiration. Ideally a woman with a solid career, independent, beautiful, low-maintenance emotionally –
and also a great cook who makes breakfast.

For a long time, I tried to meet those expectations.
I was understanding. I put my own needs second – more than once.
I carried things that weren’t mine – emotionally, mentally, even financially.

Looking back, I ask myself how it got to that point.
The answer is simple and not very flattering:
I wanted to be liked. I wanted to be loved.

And at the same time, I was trying to meet society’s expectations:
Because that’s what women are supposed to do, right?
Package their optimized bodies and their optimized mindsets into something worth marrying.
Or are the lip fillers and glued-on lashes really always a free choice?

And then: the sea

Travel and surfing came later.

The ocean taught me something I hadn’t learned before: grace in failing.
Not being perfect and learning anyway – that’s normal.
You don’t have to punish yourself for it all the time.
There’s no master plan for life with all the boxes checked.
It doesn’t work like that.

Relationships are no different.

You can try your hardest, do everything “right” – and it still won’t be enough.
Wrong place, wrong time, wrong person.

What matters is the time shared, the learning and growth.
And I’m deeply grateful to the men from whom I did learn something.
They’ll always have a place in my heart.

So what do I stand for?

As a teacher, I often notice how closely teenagers watch me.
What I say, how I show up, how I live.
Girls especially take a closer look.
Some are confused when I tell them I live alone – and still survive. 😆
“Whaaat, Miss E., but you’re pretty! Why don’t you have a boyfriend?!”

Then I try to explain that there are different ways to live.
That a woman can be independent, that she doesn’t have to depend on a man.
That you don’t have to choose between freedom and family –
you can figure out what actually fits you.

That women don’t have to throw themselves at the most promising candidates
because we’re already enough, even on our own.
That’s probably when my feminist side shows itself 😉

And yes, sometimes I feel the looks from other women too.
Sometimes pity, sometimes admiration, sometimes envy.
I think many of them feel that there could be more – and that they might even want more.

The longing for closeness remains

Despite everything, I still need closeness like anyone else.
I enjoy being alone – but that doesn’t mean I never feel lonely or don’t long for connection.
It’s just that my picture of it has become clearer.

I don’t want a man who constantly needs to prove himself to feel alive.
Not a relationship where I carry the emotional weight while the other leans back.

What I want is warmth.
Someone who has arrived within himself.

So how much freedom can a woman’s life bear?

As much as it can hold.

Not every woman wants to live or travel alone –
but every woman should be allowed to, without needing to justify herself.

There’s no one “right” life.
There’s only your own:
With chances and joy and aliveness and happiness and heartache and struggle –
until you arrive at yourself. And thats what I try a little more each day.

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